1956: Wiederbewaffnung, Wehrpflicht
Als behördliche Bekanntmachungen noch in Schaukästen im Dorf gelesen wurden, galt der abgebildete Aushang der Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht. Seit Ende der 1940er Jahre hatte Bundeskanzler Adenauer (zunächst im Geheimen) über die Wiederbewaffnung Deutschlands verhandelt. Aus der Arbeiterbewegung, aus Kirchenkreisen oder aus der Frauenbewegung hatte es Widerstand gegeben. Mit der Verschärfung des Ost-West-Konflikts stieg die Akzeptanz: Die BRD schloss sich der NATO an, Ende 1955 wurde die Bundeswehr als Freiwilligenarmee gegründet, 1956 die allgemeine Wehrpflicht eingeführt. Der Oberkaufunger (SPD-)Bürgermeister wies die Ortsbürger ausdrücklich auf die Möglichkeit der Wehr- und Kriegsdienstverweigerung hin. Und er versah den Aushang – wie bei einer Todesanzeige – mit dickem schwarzem Rand. Ein Flugblatt in Matrizendruck des Oberkaufunger SPD-Ortsvereins erklärt den Hintergrund:
„21. Juli 1956 – der neue Volkstrauertag!
Trotz der Bedenken, die von den SPD- Bundestagsabgeordneten im Bundestag vorgebracht wurden, wurde das Wehrpflichtgesetz von der CDU Mehrheit im Bundestag durchgepeitscht und ist inzwischen in Kraft getreten. Selbst die Warnungen der kirchlichen Würdenträger wurden von der CDU nicht beachtet.
Ihr neuen Wehrpflichtigen, Ihr Mütter oder Frauen, dieses Gesetz verhindert nur die deutsche Wiedervereinigung und fordert nicht nur, daß unter Umständen Bruder gegen Bruder hüben und drüben der Zonengrenze kämpfen soll, nein, es ist auch der Anfang vom Ende. Nach all‘ unserer bisherigen geschichtlichen Erkenntnis steht am Ende immer ein Brief … auf dem Felde der Ehre gefallen – Massengrab – Atombombe – Vernichtung des Volkes.
Man sollte deshalb heute schon den 21.7.1956 zum Volkstrauertag erklären.
Der Bundesparteitag der SPD beschloß vor 14 Tagen in München einstimmig, nach der Bundestagswahl im Herbst 1957 wird die allgemeine Wehrpflicht wieder aufgehoben.
An Euch liegt es jetzt, ob wir die Wehrpflicht wieder abschaffen können. Sorgt dafür, daß die SPD im nächsten Bundestag 1957 die Mehrheit erhält…“