1932: Hungersnot in Oberkaufungen

In den globalen Wirtschaftskrisen der 1920er Jahre herrschte in den zahlreichen Lossetaler Lohnarbeiterfamilien große Not: Die örtlichen Industriebetriebe waren – wie die meisten Fabriken in Kassel – geschlossen worden. „Das ist in Oberkaufungen um so schlimmer, als … die Landwirtschaft dort keine große Rolle spielt“, schreibt das Kasseler Volksblatt am 12.5.1932. „Alte Mütterchen, die ihr Leben lang schwer gearbeitet und sich redlich durchgeschlagen haben, bitten weinend, daß man ihnen doch wenigstens ein Brot überlasse, damit ihre Kinder den gröbsten Hunger stillen können.“
Die Suppenküche des Kasseler Karlshospitals versorgte zwei Wochen lang Hungernde auf dem Oberkaufunger Schulhof, eine örtliche Erwerbsloseninitiative kochte weitere sechs Wochen Eintopf.
„Die Gemeinde Oberkaufungen zählt 3230 Einwohner. Von diesen sind z. Zt. 540 Personen mit ca. 800 Familienangehörigen erwerbslos“, heißt es in einem Antrag auf Gewährung eines Zuschusses zu den Wohlfahrtslasten bereits am 30. Juli 1931. Drei ehrenamtliche Beigeordnete aus der Arbeiterbewegung – Ludwig Batz, Karl Wiegand und Heinrich Träbing – bürgten mit ihrem Privatvermögen, um Wohlfahrtsunterstützungszahlungen zu ermöglichen. Doch die Lage besserte sich nicht. 1932 kam es in Oberkaufungen sogar zu einem Sturm auf das Bürgermeisteramt. Die Gemeindeschwester notierte im Diensttagebuch: „Hunderte von Kindern zogen durch die Straßen und schrien: ‚Hunger! Gebt uns Brot!‘“

„Bis zur Machtergreifung [Anfang 1933] ist in den wirtschaftlichen Verhältnissen der Gemeinde eine gewisse Konsolidierung eingetreten, wenn auch die soziale Bedrängnis für die Familien der Arbeitslosen groß blieb“, hat Historiker Karsten Blume 1992 herausgefunden.