Hintergrund

1948: Anklage und Verurteilung

„Anfang April 1933 kam es in verschiedenen Städten Deutschlands, insbesondere auch in Kassel zu Untersuchungen, durch die die Vorbereitungen eines angeblich von den damaligen Linksparteien geplanten Staatsstreichs aufgeklärt werden sollten. Insbesondere sollten die im Besitz dieser Kreise befindlichen Waffen erfasst werden.“ Der Niederkaufunger Bürgermeister, zugleich Ortsgruppenleiter der NSDAP, ließ „eine grössere Anzahl Einwohner Niederkaufungens, die als Angehörige der SPD und KPD bekannt waren oder galten“ festnehmen, in einer örtlichen Gastwirtschaft sammeln und „unter Bedeckung von Niederkaufunger SA“ in das Amtsgericht Oberkaufungen marschieren. Die Verschleppten wurden einzeln aus den Zellen in das Verhörzimmer gebracht und mit Gummiknüppeln geschlagen. „Nach Beendigung der in dieser Weise durchgeführten Vernehmungen ging ein Teil der SA nochmals durch die Zellen und schlug und trat bei dieser Gelegenheit die ‚Vernommenen‘. Dann wurden diese Festgenommenen aus dem Amtsgerichtsgebäude entlassen, mussten aber teilweise hierbei noch ein Spalier von SA-Leuten passieren, wobei es nochmals zu Mißhandlungen kam… Die Angeklagten geben die ihnen zur Last gelegten Taten zu. Sie seien als Hilfspolizisten im Dienst gewesen und hätten die gegebenen Befehle auszuführen.“
„Eine Menschenmenge… hatte sich in und um das Amtsgericht Oberkaufungen zusammengerottet. Die Zusammenrottung war öffentlich… Dass von den Zusammengerotteten Gewalttätigkeiten gegen Personen begangen wurden, bedarf angesichts des völlig klar liegenden Sachverhalts keiner weiteren Ausführung, ebenso dass dies mit vereinten Kräften geschah.“
Einer der am Übergriff beteiligten Niederkaufunger war zur Tatzeit erst 16 Jahre alt. „Neben zahlreichen anderen Halbwüchsigen hatte er beim Abholen der zu Vernehmenden mitgeholfen. Den Zug nach Oberkaufungen hatte er begleitet und war im Amtsgericht nicht nur Zeuge der Misshandlungen geworden, sondern hatte auch selbst den Zeugen E. geschlagen, als die Opfer nach den Vernehmungen in ihren Zellen verprügelt wurden… 1933 hat der Angeklagte sich als sehr junger Mensch dem Eindruck der damals herrschenden Massenpsychose naturgemäß noch weniger entziehen können, als dies ältere und reifere Menschen zu tun vermochten.“ Urteil wegen Landfriedensbruchs, Landgericht Kassel, 1.7.1948