Pogromnacht in Kaufungen?
In den Kaufunger Gemeindeakten ist nichts zu den deutschlandweiten antisemitischen Pogromen des 7.-9. November 1938 überliefert. Gab es hier keine Übergriffe? Historiker Karsten Blume hat 1992 im Auftrag der Gemeinde nachgehakt:
„Für die Vermutung, daß doch etwas vorgefallen war, gibt es einige Hinweise wie Augenzeugenberichte, eine Aussage in einem Spruchkammerverfahren und eine Anzeige von Erwin K. aus der Nachkriegszeit“.
„Ein Zeuge erinnerte sich 1947, daß der Oberkaufunger Gendarm im Lokal ‚Stadt Kassel’ den Sturmführer der SA H. gefragt habe, wie lange es noch dauere (woraus die Spruchkammer schloß, daß der Gendarm zuvor von den Plänen unterrichtet war). Danach zog die SA zum ca. 150 m entfernten Haus des Siegmund C., Steine flogen gegen das Haus, Scheiben gingen zu Bruch, es wurde gegen die Haustür geschlagen. Im Hausflur sahen die Mitbewohner, daß Siegmund C., nachdem er die Tür geöffnet hatte, geschlagen wurde. Daraufhin erschien der Gendarm und nahm Siegmund C. in sog. ‚Schutzhaft’. Vermutlich mit dem hiesigen Mietwagen brachte er ihn nach Kassel zur Polizeikaserne, die als Sammelpunkt für zu verhaftende Juden vorgesehen war. Dort wurde C. an den folgenden Tagen wegen seines hohen Alters entlassen. Er kehrte in sein Haus in Oberkaufungen zurück…
Die staatsanwaltlichen Ermittlungen aus der Nachkriegszeit erbrachten als Tatbeteiligte nur zwei Kaufunger, die bereits verstorben waren. Auch heute befragte Zeitzeugen können oder wollen keine Beteiligten nennen.“